Donnerstag, 16. April 2015

Chuck Norris seine Oma...

... hat heute meine Ohren bezaubert.

Sie ist nicht wirklich die Großmutter von Chuck Norris. Ich hab sie nur so getauft.

Hier in unserem Wohnkomplex gibt es einige sehr große Wohnungen, die teilweise 40 oder 50 Jahre von den selben Menschen bewohnt wurden. Ehepaare erst, dann Eltern. Irgendwann zogen die Kinder weg und bekamen selber Kinder, irgendwann blieben dann nur die Frauen, weil die Männer früher starben. Die Damen blieben hier wohnen, jetzt sind die meisten im Heim oder bei ihren Ehemännern, in den letzten 10 Jahren sind die großen Wohnungen an junge Familien mit Kindern gegangen, die den Laden ordentlich aufmischen. Aber eine alte Dame hat überlebt und hält die Stellung. Sie wohnt direkt über dem Waschhaus. Früher gab es einen strengen Benutzungsplan für das Waschhaus, weil noch nicht jeder eine Waschmaschine hatte und die Damen sich einigen mussten. Aber die Regeln sind erodiert, nur noch wenige nutzen das Waschhaus. Die Tür ist nicht mehr abzuschließen, und die Kinderhorden nutzen die Location gerne als Chillout-Area oder Stauraum für ihre Fußballtore. Ich bin eine der wenigen, die dort noch waschen. Ich weiß es sehr zu schätzen, nicht dieses ordinäre Waschmaschinengerumpel in der Wohnung zu haben, und meine Wäsche kann ich da auch direkt aufhängen. Ähnlich empfindet es die Barfüßigen Gräfin. Als diese einst an einem Sonntag zu später Stunde und im Finsteren aus dem Waschhaus schlich, sprach eine Stimme aus dem Nichts: "Sonntags ist kein Waschtag", die Barfüßige kreischte laut vor Schreck und floh. Es war die Oma, welche den alten Zeiten hinterhertrauert. Am nächsten Tag klebte ein Zettel an der Waschmaschine, die Handschrift knapp an Sütterlin vorbei: "Am Wochenende ist kein Waschtag." Einen Tag später stand darunter in der Handschrift der Barfüßigen: "Sagt wer?" Noch einen Tag später stand in einer mir fremden Handschrift da drunter: "Die Wäsche-Oma?" Schrieb ich drunter: "Nee, Chuck Norris seine Oma", noch einen Tag später war der Zettel weg.

Jedenfalls bin ich eben im Waschhaus, kommt Chuck Norris seine Oma rein. Denk ich: "Verflucht. Hoffentlich hat sie keine Knarre dabei." Wir grüßen freundlich. Sie schaut sich um wie Napoleon in Waterloo. Und dann sagt sie es: "Man kann hier noch nicht mal mehr sein Seifenpulver stehen lassen."

Seifenpulver!!!

Wie lange habe ich das Wort nicht mehr gehört? Wie wundervoll ist das denn? Heute, wo alles zugekleistert wird mit Reinheitsformeln, Hyalurongedöns, Millionizern und allem Marketing-Blingbling, das kein Mensch braucht und Sprachsensible erschauern lässt, steht sie da, das Teufelsweib, und nennt das Ding beim Namen: Seifenpulver.

Ich habe ihr die Traumatisierung der Barfüßigen spontan verziehen und mit ihr eine kleine Runde die Anarchisierung des Waschhauses beklagt.

Ich plane, die Nachfolge anzutreten als Chuck Norris seine Oma, und in späteren Zeiten die Jugend zu traumatisieren und mit konkretem Sprachgut um mich zu werfen.

Das wird gut.

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